AUF DEN "ERSTEN BERG",
DEN WEISSEN BERG (4810m)

Datum: 26.-29.6.2004
Gebirge: Mont Blanc Gruppe
Gipfel: Mont Blanc
Höhenmeter: gesamt etwa 3600
Beteiligte Personen: Harald, Benny, Jürgen, Herbert, Michael und ich

Irgendwie ist der Mont Blanc für mich ein ganz besonderer Berg, weil er einerseits der erste ist der erstiegen wurde, noch nicht ganz nur um des Berges willen aber immerhin weil man den Luftdruck am Gipfel ablesen wollte. Als Jacques Balmat und Michel-Gabriel Paccard den Berg am 8. August 1786 bezwangen, haben sie nicht nur einen Berg erstiegen, sondern bewiesen, dass auf Bergen keine bösen Geister leben und dem Zeitalter der Aufklärung einen entscheidenden Impuls versetzt. Vor dieser Ersteigung rankten sich um Berggipfel die wildesten Legenden und Spekulationen, die aus heutiger Sicht völliger unglaubhafter Unsinn sind, zu dieser Zeit aber als völlig real geglaubt wurden.

Am 26. Juni um 8h soll auch für uns die Ersteigung des "Ersten Berges" beginnen. Vom Parkplatz des Mont Blanc Tunnel geht es los, es wird 8h25, aber das macht nichts wir haben ja den ganzen Tag um zur Grand Mullet Hütte zu gelangen. Etwa 1800Hm stehen vor uns. wir gehen etwa 5 min den falschen Weg entlang bis wir uns die Karte etwas genauer ansehen und merken, dass wir den Bach gleich überqueren müssen. Also wieder ein Stück zurück und einwenig entlang der Hauptstraße zum richtigen Weg. Zuerst geht es in schönen Serpentinen den Wald aufwärts. Ein schöner alter Mischwald der bei etwa 2000m langsam dünner wird. die Lärchen reichen natürlich weiter bis etwa 2200m hinauf wo ihre Größe dann allerdings rapide abnimmt. An der verfallenen alten Seilbahnstation auf etwa 2200m machen wir rast. An diesem herrlichen Tag fällt die Pause etwas länger aus, ganze 45 Minuten sitzen wir in der warmen Junisonne. danach "beginnt" der Berg, die ersten steileren Schneefelder sind vorsichtig zu queren und bald sind wir am Gletscher. Ein breiter mit Fußspuren übersäter Pfad empfängt uns dort und wir gehen erst einmal ohne anzuseilen weiter. Interessante Eisformationen laden immer wieder zum stehen bleiben und staunen und fotografieren ein.

Langsam wird der Gletscher wird zerklüfteter, wir bewegen uns auf dünnen Brücken und zwischen größeren Spalten hindurch. Unsere Rucksäcke werden auch langsam schwerer. Ich habe etwa 24kg am Rücken. Der Gletscher wird Steiler aber ruhiger und wir steigen das zuerst etwa 30 gradige Eis aufwärts. Endlich sehen wir die Hütte. Herbert, der mit einer Verkühlung hadert ist wohl am erleichdersten von uns, bald da zu sein. Wir folgen den Spuren die ziemlich gerade auf die Hütte zugehen, dabei ist eine Steilstelle von etwa 50 Grad zu überwinden. Harald und ich steigen vorne weg. Wir wühlen uns durch mehr Schnee als Eis und versuchen sicher über die Spalte in der Steilstelle zukommen. Ich etwas weiter oben, Harald direkt 3 Meter unter mir. Geschafft, und gleich kommen die anderen nach. Nun geht es Spaltenfrei auf die noch etwa 200 Meter ober uns liegende Hütte zu. Einige Leute sehen wir auf der Terrasse der Steil über uns liegenden Grand Mullet Hütte. Die letzten 20-30 Hm geht es über den versicherten Hüttenzustieg im Fels empor. Nach etwa 8 Stunden Gehzeit und 8h45min Gesamtzeit erreichen wir um 17h15 seilfrei die Hütte. Der Hüttenwirt zeigt uns freundlich den eigenen Kochplatz in der Hütte für Selbstversorger und den Rest von les Grand Mullet. Die Hütte ist zwar belegt aber nicht voll so etwa 12 Leute außer uns sind noch da, alles Franzosen, es ist schließlich Wochenende. Wir beschließen beim selbst gekochten Abendessen dass wir wegen des herrlichen Wetters gleich morgen Sonntag einen Gipfelversuch starten. Herbert bleibt in der Hütte er hat zue Zeit keine Ambitionen höher zu steigen. Also geht es gleich in die Federn oder was da noch davon übrig ist, denn gut sind die Betten sicher nicht mehr auf Grand Mullet.

27. Juni
3 Uhr Morgens wecken, alles geht so zäh, Frühstücken, Thermoskanne füllen, Sig-Flasche füllen, runter Richtung Ausgang steigen und Schuhe anziehen. Alle laufen etwas aufgeschreckt umher, der Aufbruch verzögert sich. Ich gehe mit Harald schon mal vor und steige auf den Gletscher ab, Michael und Benny kommen hinterher. Dan etwas abgeschlagen dann Jürgen. Wir seilen an, das Seil ist durch das ewige ein und auspacken nicht sehr schön aufgeschossen. Es braucht einige Zeit bis es mit den 5 Sackstichen bereit ist. Immer haben noch nicht alle die Steigeisen an, wir warten. 4h35 endlich stehen wir in einer Reihe angeseilt und gehen los. Nach 20 Metern höre ich schon ein ăStopp!“, Benny ist ohne seinen Rucksack weggegangen. Nachdem auch das bereinigt war geht es dann etwas zäh die ersten 100 Hm bergauf ­ sulzig weich ist der Gletscher nicht durchgefroren heute Nacht, aber der Himmel ist noch Sternenklar. An den Steilstellen (etwa 40-45°) wird unsere Seilschaft inhomogen. Harald und ich ziehen zu schnell vorne weg und die Anderen hinten bremsen noch im Steilen stehend. Bald wird es hell und wir können unsere Stirnlampen ausschalten. Alles kommt mir an diesem Morgen zu langsam vor. Wir sind so gegen 9h15 am Grande Plateau und sehen wie der Gipfel bereits voller Wolken ist. Gewitter sind für diesen Tag auch am Weißen Berg vorhergesagt. Harald dreht sich um und sieht mich an, ich weiß sofort was er meint. Wir drehen um hat das geheissen. Den Anderen lassen wir keine Wahl, denn im Gipfelbereich auf 4800 Metern brauche ich kein Gewitter, außerdem würden wir alle gerne am Gipfel etwas sehen. Wir trinken etwas Tee, dazu einen Müsliriegel und steigen dann die 1000Hm wieder ab. Herbert wundert sich das wir schon so früh bei der Hütte sind, bis wir ihm alles erzählen. Am Nachmittag entspannen wir etwas auf der Hütte.

28. Juni
Warten auf besseres Wetter: Wir spielen Uno und laufen die Ganze Hütte ab, lernen jeden Winkel kennen. Für Dienstag den 29. ist stabiles Gewitterfreies Wetter angesagt und wir planen der Aufstieg. Um 18h geht es ins Bett, es ist ruhig auf der Hütte denn außer 4 Franzosen, uns und dem Hüttenwirt ist niemand da. Schlafen kann kaum jemand, was einerseits auf die ungewöhnliche Zeit zurückzuführen ist, aber sicher auch auf etwas Aufregung ob wir Morgen den Gipfel erreichen werden oder nicht.

29. Juni
Mitternacht, der Wecker läutet. Ich habe erst kurz zuvor eingeschlafen und stehe daher recht schwer auf, hektisches Treiben erfüllt den Schlafplatz. Warmes Wasser haben wir uns vom Hüttenwirt bereitstellen lassen. Das erleichtert das Frühstück ungemein. Ich würge ein paar Kekse hinunter, dazu etwas Tee. Diesmal geht alles etwas zügiger. Noch schnell die Thermoskannen verstauen, Gurt an, Rucksack zum Eingang tragen, noch mal das wichtigste im Kopf durchgehen und dann die Schuhe mit den Gamaschen anziehen und schnell raus ins Freie, der Enge der Hütte entfliehen. Erst mal sehe ich gar nichts, die Hütte ist inmitten einer Nebelsuppe. Harald steigt schon mal den Hüttenfelsen hinunter, ich folge ihm. Am Gletscher zeihen wir unsere Steigeisen an und legen erst einmal das Seil aus. Die Anderen sind auch schon da und alles andere geht auch recht schnell in dieser Nacht, so gehen wir um 1h30 bereits vom Gletscher an der Hütte weg. Pappig ist der Schnee anfangs und es kostet etwas Mühe die ersten Meter. Ab etwa 3500 Meter wird der Schnee fester. Das erleichtert vor allem die Steilstellen die doch bis 40° sind. 4 Franzosen sind noch mit uns unterwegs. Sie gehen hinter uns weg und überholen uns nach etwa einer Stunde langsam. Eine Zeitlang gehen wir nebeneinander her, bis wir eine Pause machen um etwas Tee zu trinken, da ziehen sie an uns vorbei. Es beginnt zu dämmern. Wir steigen den Steilhang zum Grand Plateau hoch. Die Franzosen queren ganz weit nach links um nicht zu Nahe am Eisbruch vorbeigehen zu müssen. Wir gehen gerade denn um diese Zeit, es ist etwa 5 Uhr, wäre es schon ein Pech wenn da was runterkommen würde. Ich fühle mich gut, der Himmel ist in der Zwischenzeit völlig aufgeklart und es dürfte ein traumhafter Morgen werden. Wie stabil das Wetter bleibt werden wir noch sehen. Langsam erklimmen wir die Kuppe zum Grand Plateau, am Horizont hinter uns breitet sich ein roter Streifen aus, bald wird er die Sonne durchscheinen lassen. Kurz halten wir inne als der Gipfel des Weißen Berges von den ersten noch roten Sonnenstahlen berührt wird, dass sind die Momente für das man sich das alles antut, nicht das es eine echte Mühe wäre, nein, aber der langer etwas eintönige Marsch über den Gletscher bei Dunkelheit ist nicht unbedingt etwas so schönes. Wir gehen weiter über das Plateau, zwei der vier Franzosen, die in zwei zweier Seilschaften gehen, sind noch vor uns. Bald schon streifen die ersten Sonnestrahlen die Vallot Hütte. Wir sind so etwa auf 4100 und beginnen mit dem Aufstieg auf den Sattel vor der Vallot Hütte. Jetzt ziehen wir auch an den beiden anderen Franzosen vorbei denen etwas die Kraft auszugehen scheint. Der Vordermann streckt mir die Hand entgegen, wir schlagen einander ein. Er ist überglücklich das wir einen schönen Tag haben, mir geht es ähnlich. Der Große Weiße Berg hat uns heute eingeladen ihn zu besuchen wie es scheint. Wir fotografieren uns noch gegenseitig in der Morgensonne. Pause machen möchten schon einige und wir einigen uns rasch diese vor der Vallot Hütte zu machen. Beim vereisten Anstieg zur Notunterkunft, denn bewirtschaftet ist sie ja nicht, treffen wir auf den schon ausgetretenen Normalweg von der Gauter Hütte her.

Auf der kleinen ebenen Fläche vor der Vallot Hütte machen wir eine Pause. Völlig windstill ist es hier. Ich Blicke hinauf zum, Bossens-Grat. Viele Leute, so etwa 30, kommen schon wieder zurück, die Meisten in kleinen Grüppchen am kurzen Seil, was darauf schließen lässt das sie mit Bergführer unterwegs sind. Die Ersten lassen wir an uns vorüberziehen, dann brechen auch wir zum letzten Stück auf. Bis etwa 4500 geht es mir gut dann merke ich, dass schon etwas weniger Luft da ist, aber ich finde keinen langsamen Rhythmus. So kommt es das ich alle paar Schritte kurz stehen bleibe. Jetzt bremst Harald nicht mehr, den es ab 4200 nicht so gut ging, sondere ich bremse ihn. Benny schlägt sich mit seinen am Vortag vollendeten 14. Jahr sehr gut und Jürgen trabt ruhig hinten her. Michael geht als letzter und merkt wieder einmal die Höhe überhaupt nicht. Es kommen uns immer wieder die eine und andere Gruppe entgegen, es werden so gegen 70 Leute an diesem Tag gewesen sein die von der Gauter Hütte hergekommen sind. Für einen solchen Prachttag ist das nicht allzu viel, denn es sollen bis zu 300 Leute an manchen, schönen Sommertagen sein. Wir sind jedenfalls froh nicht auf der Gauter Hütte übernachtet zu haben. Weiter geht es langsam am Grat; 4550, 4600, 4650 ­ der Grat zieht sich ein wenig aber die Aussicht entschädigt für alles. Einziges Problem, der Wind wird immer stärker. Wenn ich mich umdrehe beängstigt mich ein wenig das Benny und Jürgen nicht mehr sicher auf den Beinen sind, das war eine rein subjektive Einschätzung, aber wenn einer bei diesem wind stolpert ist es fraglich ob wir ihn bei einem Sturz, vor allem auf die Südseite, halten würden. 4700, 4750 die kurzen Pausen werden häufiger, nicht zuletzt durch die noch immer entgegenkommenden Gruppen. Manchmal wird es recht eng am Grat. Der letzte schmale Gratanstieg ist erreicht, plötzlich wirft mich eine Windböe zu Boden, gebückt verharre ich ein wenig am Grat. Als ich zurückblicke deute ich zu Harald das zu viel Wind sei im Moment (etwa 120km/h). Ich habe Angst, dass es vor allem Benny hinunterwehen könnte. Harald geht ein paar Schritte zurück zu Benny dem es gar nicht gut geht, er will nur mehr runter. Ich sehe sie ein wenig Diskutieren denn hören kann man bei solchen Windgeschwindigkeiten außer den Wind uberhaupt nichts. Jürgen und Benny steigen 20Hm ab, dort ist ein kleines Plateau bei einem Felsen auf etwa 4750 das uns beim heraufkommen schon aufgefallen war weil es da für ein paar Meter sehr wenig Wind hatte. Wir Drei versuchen das Seil provisorisch wieder aufzunehmen und Michael stopft sich den jetzt größeren Rest irgendwie in den Rucksack. Der Grat wird jetzt noch mal luftiger aber auch flacher. 100 Meter weiter ist es für rund 50 Meter absolut windstill. Nordseitig der unglaubliche Tiefblick bis Charmonix, südlich sind alle Gebirge bis zum Mittelmeer sichtbar. Plötzlich fängt uns der Wind wieder ein. Harald und ich drängen zum Gipfel, Michael ist darauf nicht gefasst und bremst einwenig. Welch ein Erlebnis, plötzlich ist das ăGipfelplateau“ da und wir stehen um 9h15 am höchsten Punkt der Alpen.

Stehen, schauen, jede Sekunde ist auf Minuten gedehnt, trotzt starken Wind von etwa 80hm/h genießen wir den Blick rundum, alles ist deutlich niedriger. Der Mont Maudit erscheint klein von oben, in weiter Ferne gegen Osten sieht man schön das Weißhorn, einzig der Mont Blanc de Courmayeur ist südöstlich nahe von uns nur etwas niederer. Wir sind kurz die einzigen am Gipfel, dann kommt noch eine 4er Gruppe vom Mont Maudit herüber sonst ist es recht ăruhig“. Al zu lange könne wir uns nicht aufhallten den es warten ja Zwei auf uns. Schweren Herzens beschließen wir wieder hinunter zu gehen. An der Stelle wo wir zuvor solche Probleme mit dem Wind hatten ist es jetzt deutlich ruhiger und bald sind wir wieder bei Benny und Jürgen die uns schon sehnsüchtig erwarten. Bis zur Vallot Hütte gehen wir am Kurzseil, Benny will nur mehr runter. Eine längere Pause vor der Vallot Hütte bei Windstille gibt allen wieder Kraft für den noch vor uns liegenden Abstieg. Mit einem tiefen Gefühl der inneren Zufriedenheit gehe ich langsam voraus Richtung Grand Plateau. Auf diesem machen wir noch mal eine ausgiebige Rast denn diesen wundervollen Tag möchten wir noch etwas genießen.
Gegen 14h30 erreichen wir wieder die Mulet Hütte nachdem wir uns die letzten 400Hm durch knietiefen, nassen, weichen Schnee gekämpft haben.

30. Juni
Abstieg von Grand Mullet und Weiterfahrt ins schweizerische Randa, den Ausgangsort für den Dom.

 

 

 

 

Am Gipfel des Weißen Berges